Evangelische Friedenskirchengemeinde Hochsauerland
Auf ein Wort
Jesus wandte sich um und sah Petrus an. Da erinnerte sich Petrus an das, was der Herr zu ihm gesagt hatte.“ (Lukas 22:61) ANDACHT UNTER DEM LIEBENDEN BLICK GOTTES Liebe Gemeinde, „Erkenne dich selbst“ oder „Erkenne, was Du bist“, die vielzitierte Inschrift vom Apollo-Tempel in Delphi, lädt uns immer wieder neu ein, den Blick tief auf uns selbst zu richten, bevor wir versuchen, die anderen Menschen und die Welt um uns herum zu verstehen. Das scheint mir gerade in schwierigen Situationen wichtig zu sein, in Situationen, in denen wir von Unsicherheit, Krisen und Katastrophen umgeben sind. Der Krieg in der Ukraine, in Israel und Gaza, die Drohungen Russlands gegen den Wes- ten, der Klimawandel, die wirtschaftlichen Schwierigkeiten. . . In diesen Situationen fragen wir uns oft, ob es noch etwas Stabiles, Verlässliches und Unerschütterliches gibt. Die Sicherheit und der Wohlstand, die Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut hat, scheinen auf allen Ebenen zu zerbrechen. Erinnern wir uns in solchen Situationen überhaupt noch daran, dass nicht wir diese Welt geschaffen haben, dass nicht wir die Gesetze der Natur und des menschlichen Lebens in Kraft gesetzt haben und dass wir immer noch unter dem liebenden Blick Gottes leben? Wie die jüngste EKD-Studie zeigt, haben erschreckend viele unserer Mitmenschen überhaupt kein Inter- esse, keine Beziehung zur christlichen Kirche, zum Glauben und zu Gott. Wer ist der Mensch in dieser fast gottlosen Welt? Ich glaube, dass auch viele von unseren Gemeindemitgliedern sich gerade in der Passionszeit und auch in der österlichen Jubelzeit gefragt haben, was passiert in unserer Welt, in der christli- chen Kirche und wer bin ich in dieser Situation? Was bedeutet mein Leben und mein Glaube in dieser Situation, in der alles um mich herum unsicher und ungewiss geworden ist? Ich glaube, dass die biblische Geschichte, die wir als die Geschichte von der dreimaligen Ver- leugnung Jesu durch Petrus kennen, uns helfen kann. In dieser Geschichte sehen wir Petrus am Tiefpunkt seines Lebens, alles, worauf er sein Leben und seinen Glauben aufgebaut hat, scheint wegzubrechen. Andere Weggefährten Jesu sind geflohen, Jesus ist verhaftet und ihm droht die Todesstrafe. . . und Petrus ist ganz allein. Viel- leicht denkt er: Worauf kann ich mich noch verlassen? Offensichtlich nur auf mich selbst. Und dann kräht der Hahn. Die letzte Sicherheit, die letzte Zuversicht zerbricht. Mit tiefem Schmerz und Enttäuschung in sich selbst stellt Petrus fest: „Ich habe Jesus verleugnet. Wer bin ich, wenn ich mich nicht einmal auf mich selbst verlassen kann?“ Doch die Geschichte geht noch weiter. Jesus drehte sich um und blickte Petrus an. Liebevoll, ohne Vorwürfe, sondern verständnisvoll, vergebend. In diesem liebevollen Blick Jesu konnte Petrus in die Tiefe seiner Seele schauen und die Ant- wort auf die Frage finden: Wer bin ich? Ein Mensch, mit Schwächen und Fehlern, aber meine Identität, mein „wahres Ich“ kommt von Gott und aus meiner Beziehung zu Jesus. Albert Schweitzer hat sehr treffend formuliert: „Christentum ist Christusmystik“, keine religiöse Lehre, sondern eine „Erfahrung“. Die Erfahrung der inneren „Zugehörigkeit zu ihm“. Christus, schreibt er, ist das „geistige Wesen, an das wir uns hinzugeben haben, um in ihm die wahre Bestimmtheit unseres Daseins und unseres Wesens zu erleben.“ Erfahren wir diese Nähe zu Christus in der Passionszeit und besonders in der Osterzeit? Haben wir sie in diesem Jahr erfahren? Haben wir gespürt, wie Christus uns liebevoll anschaut und so annimmt, wie wir sind? Hat uns dieser Blick auch ermutigt, umzukehren, umzudenken und neu anzufangen, Jesus treu nachzufolgen? So wie Petrus es damals getan hat. Und wenn wir in der Passionszeit tatsächlich Jesus auf seinem Leidensweg gefolgt sind und uns so auf die Feier seiner Auferstehung vorbereitet haben, dann haben wir erfahren, dass Gottes Liebe zu uns Menschen und zu dieser Welt unerschütterlich bleibt. Wir müssen uns nur öffnen für Gott und seinen suchenden, liebenden Blick. Jeden Tag neu. In der Liebe Christi verbunden verbleibe ich Ihre Pfarrerin Sandra Gintere
Pfarrerin Sandra Gintere
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